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Deutschland, 25.08.2009
Castortransport 1998 - Bei strahlendem Wetter am Kernkraftwerk
Mehr als zehn Jahre sind vergangen. Zeit für einen Rückblick auf die
Anti-Castor-Demonstration am 19. März 1998 in Neckarwestheim
Völlig unerwartet klingelt am Mittwoch, den 18. März 1998, zu später
Stunde das Telefon. Die Nachricht, daß der Castor-Transport um 24 Stunden
vorgezogen wird, erreicht mich. Die Gruppe, mit der ich zur Demonstration nach
Neckarwestheim fahren wollte, trifft sich also schon heute um halb zwölf, in
genau einer Stunde. Leider muß ich mich damit abfinden, erst morgen, mit
der ersten S-Bahn, Richtung Kernkraftwerk zu reisen, da mir meine Eltern
einen Strich durch die Rechnung machen. Schließlich sollte man ausgeschlafen,
mit voller Kraft demonstrieren können. Ich suche nun alle wichtigen Dinge
wie Regencape, Wollpulli, Ersatzkleidung und Personalausweis zusammen und
stelle den Wecker auf 4:40 Uhr. Bevor ich mich schlafen lege, rufe ich noch
kurz einen Klassenkameraden über sein Handy an, der sich bereits am Platz der
Blockade befindet. Später stellt sich heraus, daß das mobile Telefon eines
der wichtigsten Gebrauchsgegenstände für solche Veranstaltungen ist. Noch
ist alles ruhig in der Umgebung des Kernkraftwerks, die ankommenden
Atomkraftgegner werden von der Polizei nur an markanten Stellen wie der
Neckarbrücke bei Kirchheim/Neckar kontrolliert. Es ist die Ruhe vor dem Sturm.
Pünktlich um 4:40 Uhr holt mich mein Radiowecker aus dem Schlaf. Sofort
bin ich wach und greife zum Telefon. Wieder informiert mich mein
handybesitzender Mitschüler über die aktuelle Lage. Es muß wohl kalt gewesen
sein für
alle, die die Nacht ohne Schlafsack verbracht haben. Die Stimmung sei aber
noch entspannt, auch wenn die Zahl der Polizisten ständig steige. Beruhigt,
noch nichts verpaßt zu haben, packe ich meinen Rucksack mit dem Nötigsten
und begebe mich zur S-Bahnstation. Es ist kurz nach Fünf, trotzdem sind mehr
Menschen auf dem Bahnsteig, als ich vermutet hätte. Wer von ihnen wohl vom
bevorstehenden Castortransport weiß? Am Hauptbahnhof steige ich in den Zug
Richtung Heilbronn. Ganz in weißes Segelzeug gekleidet mache ich wohl einen
seltsamen Eindruck auf die Zugführerin, die der einzige Mensch bleibt, der
mir während der Fahrt begegnet. Am Kirchheimer Bahnhof treffe ich die
ersten Gleichgesinnten, die jedoch erstmal den Weg zum nächsten Bäcker
einschlagen. Im Morgengrauen laufe ich die etwa drei Kilometer lange Strecke,
vorbei an Polizeiwagen und Bundesgrenzschutzbeamten. Niemand kontrolliert mich,
keiner fragt mich, nichts. Auf dem Weg kommt mir eine Kolonne von 26
Polizeiwagen entgegen, auf denen, zu meiner Verwunderung, das Kennzeichen von
Freiburg prangt. Was für ein Überaufgebot erwartet mich wohl am Tor 2? Wer von
Kirchheim kommend zum Kraftwerk will, muß zuerst über die extra für die
Atommülltransporte erbaute Neckarbrücke und dann am einem Weinberg
hinaufgehen. Sobald man den Hügel überwunden hat, liegt einem ein Tal zu Füßen, in
dem die Sonne nur sehr selten scheinen kann, da der Wasserdampf des Kühlturms
alles in grauweißen Nebel hüllt. Ein Mann mit Fahrrad nimmt mich den
letzten Kilometer auf seinem Gepäckträger mit. Es geht nur bergab, vorbei am
Personaleingang und der tristen Betonmauer mit Stacheldraht, die das gesamte
Areal umgibt.
Sonnenaufgang zwischen Flötenspiel und Übertragungswagen
Endlich bin ich am Ziel, am Horizont wird es heller, der Sonnenaufgang
kündigt sich langsam an. Auf der Zufahrtsstraße sitzen und liegen etwa 80
Demonstranten, die sich keineswegs von der anwesenden Hundertschaft
beeindrucken lassen, die in einer Reihe stehend den Zugang versperrt. Ein
Übertragungswagen des Fernsehsenders RTL steht mitten im Geschehen; vor ihm sind
Scheinwerfer aufgebaut, um jede Minute aufnehmen zu können. Aus meiner Schule
sind zirka 30 Leute seit 1 Uhr hier, die Müdigkeit steht ihnen im Gesicht
geschrieben. Man hört Gitarren- und Flötenspiel, bis jetzt ist alles friedlich.
Kein einziger gewaltbereiter Autonomer ist zu sehen, die meisten
Anwesenden hoffen, daß das auch so bleibt. Sobald die Sonne zum Vorschein kommt,
wird es spürbar wärmer. Die Polizisten, die die Grenze zwischen Gut und Böse
bilden, werden regelmäßig abgelöst. Nach einigen Stunden sind die Gesichter
der einzelnen Gesetzeshüter vertraut. Es kommt sogar zu ausführlichen
Wortwechseln zwischen Demonstranten und der Polizei. Es gibt da Männer in Grün
aus Karlsruhe, Mannheim, Freiburg und vom Bodensee. Man hat den Eindruck, als
ob das gesamte Polizeiaufgebot Baden-Württembergs in Neckarwestheim
eingetroffen ist. Die Frage nach den dadurch anfallenden Kosten traut man sich
gar nicht erst zu stellen. Beantworten kann sie so oder so niemand, da keiner
wirklich Bescheid weiß. Jeder Polizist, mit dem man spricht, sagt, daß er
halt hier sei, weil er´s müßte. Es scheint fast so, daß manche gar nicht
wüßten, weshalb sie eigentlich hier sind. Auch auf die Frage nach dem
Zeitpunkt des Transportbeginns werden nur Vermutungen ausgesprochen. Uns soll´s
nicht stören. Der momentan bekannte Termin ist 16 Uhr.
Bei Musik Daumen drücken für die Tunnelgräber
Gegen halb elf Uhr trifft ein mit Rapsöl-Diesel betriebener Kleinbus ein,
der einen sehr interessanten Anhänger zieht: eine solarbetriebene
Musikanlage. Die Musik läßt das während des Wartens leicht gesunkene
Stimmungsbarometer schlagartig steigen. Um halb zwölf erreicht uns die
Nachricht, daß sich
zwei Atomkraftgegner unter der B27 zwischen Kirchheim und Walheim in einem
selbstgegrabenen Tunnel festbetoniert haben. Diese Meldung ruft
Verwunderung, aber gleichzeitig auch Begeisterung hervor. Man hört Stimmen, die von
einer List der Polizei sprechen. Um mich von der Wahrheit zu überzeugen,
mache ich mich mit drei Schulkameraden per Anhalter auf den Weg Richtung
Walheim. Tatsächlich stehen schon einige Einsatzfahrzeuge der Polizei am
Straßenrand. Der Tunnel ist etwa fünf Meter lang und hat einen Durchmesser von
ungefähr 80 Zentimetern. Ratlose Polizisten und wißbegierige Reporter stehen
vor dem Eingang des Erdlochs. Mit Hilfe einer Taschenlampe lassen sich
deutlich zwei Paar Schuhe erkennen, ein Rohr für Frischluft ragt aus der
Überraschungstat der beiden Maulwürfe. Nachdem wir alles gesehen haben, trampen
wir wieder zurück zum Kernkraftwerk. Ein Mitglied des Aktionsbündnisses nimmt
uns mit und trägt uns auf, allen Blockierern mitzuteilen, daß die
Neckarbrücke ab 13 Uhr für Fußgänger geschlossen wird. Diese Nachricht deutet auf
die aufkommende Nervosität der Einsatzleitung hin. Der Tunnel hat wohl das
Konzept ziemlich durcheinander gebracht. Als wir den Blockierern vor Tor 2,
deren Zahl auf etwa 200 gestiegen ist, vom Tunnel berichten, erntet die
Untertunnelungsaktion lauten Beifall.
Unterdessen befindet sich ein sogenannter Betreuer und eine
Polizeipsychologin als Vermittler zwischen Demonstranten und Polizei vor Ort.
Die beiden
suchen das Gespräch, vor allem mit Schülern. Nach einigen Sätzen hat man
den Eindruck, sie wollen einem nur ins Gewissen reden, damit einige Zuhörer
den nächsten Zug nach Hause nehmen und sich das Abenteuer im Fernsehen
anschauen statt hier weiter zu demonstrieren. Glücklicherweise machen die beiden
ihren Job so schlecht, daß selbst der ängstlichste Blockierer merkt, was
hier wirklich gespielt wird.
Plötzlich fahren etwa zehn Wannen, das sind größere Polizeibusse, an der
blockierten Einfahrt vorbei. Die bis dahin friedlich wartende Menge fühlt
sich provoziert, und manche beginnen mit ´Haut ab, haut ab!´-Rufen. Im Gelände
des Kraftwerkes sammeln sich zusehends mehr Polizisten, ein Zeichen, daß
der Beginn des Transportes immer näher rückt. Es ist gerade mal halb drei,
die Zahl der anwesenden Reportern und Fernsehteams wächst, der Tunnel unter
der Bundesstraße ist noch lange nicht geräumt. Kein Grund zur Panik also!
Wer jetzt ein Gespräch mit dem Demonstrationsbetreuer der Polizei beginnt
und den Tunnel erwähnt, muß sich wundern: ´Die Schwertransporter fahren da
trotzdem drüber!´ Wie bitte? 130 Tonnen schwere Castoren über eine
untergrabene Straße, bei der niemand genau weiß, wieviel Untergrund weggeschaufelt
wurde? ´Wir halten den Zeitplan ein!´ meint er jetzt. Doch um 16 Uhr tut
sich nichts, was auf den Beginn des Transportes hinweisen könnte. Die
Ablösung der Wach-Hundertschaft ist das einzige Zeichen für die sich zuspitzende
Lage: erstmals am heutigen Tag tragen die Beamten Schlagstöcke, noch lächeln
sie freundlich wie ihre Vorgänger.
Hinsetzen bevor es ernst wird
Trotzdem hat sich was verändert. Langsam aber sicher rücken die Sitzenden
näher zusammen, drumrumstehende Demonstranten setzen sich dazu. Im Innern
des Kraftwerkgeländes sammeln sich unzählige Hundertschaften, teilweise mit
Schlagstöcken, Schutzschilden und Helmen ausgerüstet.
Die Spannung steigt noch mehr, als ein Polizeiwagen mit Megaphon in
sicherem Abstand vor der Sitzblockade hält. Es wird still. Da ertönt eine
quäkende Stimme: ´Achtung, Achtung. Hier spricht die Polizei. Das Landratsamt
Heilbronn...´ Der Rest geht im Geschrei und unter den Pfiffen der Demonstranten
unter. Das war also die erste Aufforderung, die Fahrbahn zu räumen. Keiner
verläßt seinen Platz. Die demonstrierende Menge wächst zusammen,
verschwörende Worte werden gewechselt, jemand beginnt einen monotonen Gesang,
in den
alle einstimmen. Die Fernsehteams kämpfen um die besten Plätze, während
niemand die zweite Aufforderung des Herrn im Polizeiwagen hört. Die Stimmung
ist unbeschreiblich, alles ist so unvorhersehbar spannend. Auch die dritte
Aufforderung geht im Getöse unter. Nach einer kurzen Pause hört man die
Worte: ´Die Polizei wird keine weiteren Anweisungen mehr aussprechen!´ Es kann
losgehen. Hinter der in Reihe stehenden Hundertschaft haben sich Polizisten
in einer Zweierreihe aufgestellt, das kann ja nichts Gutes heißen. Mit
Plexiglasschilden bewaffnete Beamte stellen sich seitlich der Sitzblockade
entlang auf. Einkesseln, schießt es mir durch den Kopf. Doch dann kommt alles
anders.
Je zwei Polizeimeister packen einen Sitzenden und führen oder tragen ihn
weg. Da ich in der zweiten Reihe sitze, bin ich einer der Ersten, die
abgeführt werden. Langsam gehe ich zwischen meinen beiden Abschleppern ins
Ungewisse. Denn was jetzt kommt hätte niemand vermutet. Unsere Personalien werden
aufgenommen, Taschen und Rucksack durchsucht, jeder von uns bekommt
Handfesseln, besser gesagt dicke Kabelbinder um die Handgelenke.
Eine Busfahrt hinter Gittern
Mit Händen auf dem Rücken werden wir gruppenweise zu Gefängniswagen
geführt und reingesetzt. In meinem Wagen, einem total vergitterten VW-Bus, sitzen
bereits ein Freund von mir sowie zwei Studentinnen aus Würzburg. Ein
Kripobeamter aus Heidenheim betreut uns. Er muß den Job des Aufsehers zum Glück
nur einmal im Jahr machen, erzählt er uns. Immer noch gefesselt fahren wir
los. Quer durchs Kernkraftwerk zum Personalausgang hinaus. Vor uns wie
hinter uns Busse mit Gefangenen, die vor kurzem noch friedlich demonstrierten.
Von der Neckarbrücke bis zum Abzweig nach Walheim stehen grüne Männer und
Frauen Schulter an Schulter am Straßenrand. Man fühlt sich so wichtig und
bewacht wie ein Schwerverbrecher. Lange dauert die Fahrt, erstaunlich weit
weg vom Ort des Geschehens werden wir Demonstranten gebracht. Von unserem
betreuenden Kripobeamten erfahren wir unser Ziel: ein Sammellager in einer
Turnhalle in Talheim. Auf dem Parkplatz dieser Sporthalle stehen schon einige
Polizeifahrzeuge. Jetzt zeigt sich, was für Glück wir mit unserem Betreuer
haben, denn wir sind die einzigen Gefangenen, die ihre Rucksäcke öffnen und
vespern dürfen. Sogar das Telefonieren mit dem Handy meines Freundes wird
uns gestattet, während sich die Insassen eines anderen Busses durch
gemeinsames Hin- und Herschaukeln bemerkbar machen, damit wenigstens die
Fahrzeugtür für Frischluft geöffnet wird. Obwohl wir der vierte Bus sind,
müssen wir
fast drei Stunden im ungeheizten Auto warten. Wer in dieser Zeit auf die
Toilette muß, wird von zwei Polizisten vom Wagen abgeholt und bis in die
Kabinen begleitet. Jeder rechnet damit, die Nacht in Gefangenschaft zu
verbringen, da wir warten müssen, bis die Castoren auf dem Schienenweg
Baden-Württemberg verlassen haben.
Endlich sind wir an der Reihe. Erneut werden wir durchsucht, alle
Gegenstände müssen wir abgeben, auch das Geld wird gezählt - bei mir waren es
genau 72 Pfennige - und eingesackt. Nach den bürokratischen Formalitäten wird
unsere Sünderkartei im Computer begutachtet. Leider wird bei keinem unserer
Gruppe ein einschlägiger Gesetzesbruch gefunden. Mein ständiger Bewacher
freut sich auf den lang ersehnten Feierabend - es ist mittlerweile 21:12 Uhr -
und führt mich in die mir riesig erscheinende Turnhalle. Ein wirklich
seltsames Gefühl, ohne Fesseln oder Bewacher zu laufen.
Die Stimmung unter den jugendlichen Castorgegnern ist recht gut, wenn man
bedenkt, daß manche schon seit knapp 40 Stunden ohne Schlaf ausharren. Es
gibt trockenes Brot und Landjäger, die selbe Nahrung für Polizisten und
Gefangene. Wahrscheinlich die einzige Gemeinsamkeit an diesem Tag.
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>Ärzte gegen Atomkraftwerk
Berthold Spahlinger erinnert an Resolution aus dem Jahr 2007
Die Zukunft der Atomkraftwerke beschäftigt die Menschen. Ärzte fordern seit
langem den Stopp des Kraftwerks Neckarwestheim.
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GKN Neckarwestheim: Block I soll zu schwach sein, um Terrorangriffen standhalten
zu können. Foto: Archiv/Martin Kalb
GKN Neckarwestheim: Block I soll zu schwach sein, um Terrorangriffen standhalten
zu können. Foto: Archiv/Martin Kalb
Berthold Spahlinger, Arzt für Allgemeinmedizin in Hohenhaslach, ist auf der
politischen Bühne im Landkreis kein Unbekannter. Bis vor kurzem war er noch
Kreistagsmitglied und hat in den vergangenen Jahren frank und frei den Finger in
so manch eine Wunde gelegt. Sei es, als es um den Zustand des medizinischen
Personals in den Krankenhäusern ging, sei es beim Thema Atomenergie. Er ist das
ein oder andere Mal übers Ziel hinausgeschossen, werden seine Kritiker
einwenden. Immerhin hatte er ein Ziel, könnte man entgegnen.
Spahlinger, Oberfeldarzt der Reserve und in dieser Funktion seit August 2007
beauftragter Sanitätsstabsoffizier für zivil-militärische Zusammenarbeit im
Gesundheitswesen für das Kreisverbindungskommando im Landkreis, ist
ausgesprochener Gegner des Kernkraftwerks (KKW) in Neckarwestheim.
Ein Kreis aus Ärzten aus dem Stromberg, die sich Ärztlicher Qualitätszirkel
Stromberg oder Hohenhaslacher Tafelrunde nennen, haben in einer Resolution vom
Dezember 2007 die umgehende Stilllegung des Kernkraftwerks Neckarwestheim
gefordert. Dies vor dem Hintergrund einer damals bekannt gewordenen und viel
beachteten Studie, laut dieser die Kinderkrebshäufigkeit im Einzugsbereich von
KKW überdurchschnittlich hoch sei. In der Resolution wird die Kreisverwaltung
scharf angegriffen: "Die Ignoranz und das Desinteresse der Kreisbehörde, die
immer wieder betont, dies sei alles nicht ihre Sache, sind unerträglich und
nicht mit der Fürsorgepflicht eines Landrats beziehungsweise Ersten
Landesbeamten zu vereinbaren." Laut Spahlinger hätten die Behörden darauf nicht
einmal reagiert.
Der Arzt legt nach. Über die permanente Gefährdung durch die Betriebsstrahlung
und eventuelle Lecks hinaus bestehe in jüngster Zeit noch eine viel größere
Bedrohung: "Die Gefahr des provozierten Super-GAUs durch Terroraktionen aus der
asymmetrischen Bedrohung heraus." Er befindet sich damit argumentativ auf der
Linie der Grünen, der Linken, des Bundes für Naturschutz und Umwelt (BUND) oder
des Bundes der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar.
Die Grünen im Landtag haben im Juni Umweltministerin Tanja Gönner (CDU)
aufgefordert, zwei bislang als vertraulich eingestufte Gutachten der
Internationalen Länderkommission Kerntechnik (ILK) aus dem Jahr 2002
offenzulegen. Laut Gutachten könnten von den damals 19 in Deutschland
betriebenen Atomkraftwerken nur drei einer terroristischen Attacke durch ein
Verkehrsflugzeug standhalten. Block I des Gemeinschaftskraftwerks in
Neckarwestheim und auch Phillipsburg I gehörten nicht dazu. Die dortigen Meiler
könnten weder dem Absturz kleiner Kampfflugzeuge noch Terrorangriffen mit einem
Passagierflugzeug standhalten. Die Forderung der Grünen: Die Atommeiler
schneller abschalten.
Redaktion: ARMIN SCHULZ
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>Neckarwestheims Meiler wegen Revision vom Netz
Neckarwestheim - Wegen der jährlichen Revision ist Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim am Wochenende vom Netz genommen worden. Während der turnusmäßigen Überprüfung und Instandhaltung werden auch 48 der insgesamt 193 Brennelemente ausgetauscht, wie der Betreiber EnBW am Montag in Karlsruhe mitteilte.
Wie lange die am Samstag begonnenen Arbeiten dauern, sagte eine Sprecherin des Energiekonzerns nicht. Neben Experten der Kraftwerks in der Nähe Heilbronns arbeiteten rund 1100 Angestellte von Spezialfirmen an der Revision mit. Rund 3000 einzelne Aufgaben sind zu erledigen.
Der 1989 ans Netz gegangene Druckwasserreaktor hat eine Leistung von 1400 Megawatt. Zusammen mit dem älteren Block I erzeugt die Anlage am Neckar rund die Hälfte des Strombedarfs in Baden- Württemberg. Der erste Block von 1976 wurde zuletzt im Oktober 2008 gewartet. Er müsste nach den Regelungen des Atomausstiegs spätestens im Frühjahr 2010 vom Netz gehen.
Vor drei Wochen hatten Videos für Aufsehen gesorgt, mit denen ein Ex-Mitarbeiter eklatante Sicherheitsmängel bei dem Atomkraftwerk belegen wollte. Die Atomaufsicht hielt die Vorwürfe jedoch für nicht haltbar. Gegen den Mann ermittelt die Staatsanwaltschaft nach einer Anzeige der EnBW wegen des Verdachts der versuchten Erpressung. Im Juni hatten zudem rund 1600 Menschen für eine Abschaltung von Block I vor dem Kraftwerk demonstriert. lsw
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> Sicherheitsmängel in Neckarwestheim
> Revolver im Atomkraftwerk
Andreas Müller, veröffentlicht am 03.08.2009
Sogar einen legalen Wanderweg quer durchs Reaktorgelände hat der Undercoveragent Karl.
R. entdeckt. Foto: dpa
Neckarwestheim - Die Frage war ein wenig heikel für die Landesumweltministerin. Ob sie
dem angeblichen "EnBW-Erpresser", der Waffenattrappen und Alkohol ins Kernkraftwerk
Neckarwestheim geschmuggelt haben will, dankbar sei für die Hinweise auf
Sicherheitslücken? Die Atomaufsicht interessiere sich immer sehr dafür, wie
Zugangskontrollen noch verbessert werden könnten, antwortete Tanja Gönner (CDU). Auch
wenn keine Regelverstöße festgestellt worden seien, habe man zusammen mit
Innenministerium und Landeskriminalamt bereits in mehreren Punkten Konsequenzen
gezogen. Welche das seien, dürfe sie aus verständlichen Gründen nicht näher erläutern.
Insgesamt, so Gönner, könne man die Tipps des einstigen Mitarbeiters einer Fremdfirma
durchaus "als hilfreich bezeichnen".
Es ist schon der dritte in diesem Jahr bekanntgewordene Fall, in dem ihren Atomaufsehern
von außen auf die Sprünge geholfen wurde. Erst deckte ein Kleinunternehmer auf, dass man
problemlos mit verschlossenen Paketen ins Kernkraftwerk Philippsburg gelangen konnte. Die
Folge: die Kontrollen wurden umgehend verschärft. Dann meldete ein anonymer Informant,
dass der frühere Reaktorchef und heutige EnBW-Technikvorstand die Sicherheitsregeln für
sich und seinen Fahrer außer Kraft gesetzt habe. Prompt setzte es eine "scharfe Rüge" aus
dem Ministerium.
Was jetzt ans Licht kommt, ist noch erheblich brisanter - und zugleich bizarrer. Im Fall des
Karl R., jenes aus Heilbronn stammenden Mitarbeiters, konzentrierte sich die öffentliche
Aufmerksamkeit zunächst auf den Erpressungsverdacht. Noch am gleichen Tag, da er der
EnBW über seine Erfahrungen in Neckarwestheim berichtete, stellte der Stromkonzern
Strafantrag wegen Nötigung. Begründung: im Verlauf des Gesprächs hätten sich "deutlich
erkennbare Anzeichen" ergeben, dass der "Hinweisgeber" Geld fordere.
Im Vordergrund stand der Hinweis auf Sicherheitslücken
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen ihn wegen versuchter
Erpressung. Diesen Verdacht scheint auch ein Dokument zu erhärten, das den Fahndern
vorliegt. Doch R.s Anwältin, eine bekannte Strafverteidigerin, spricht von einer
"missverständlichen Formulierung". Ihr Mandant habe keinerlei erpresserische Absichten
gehabt, er habe nur Sicherheitslücken aufdecken wollen.
Die EnBW vermutet noch ein weiteres Motiv: dem Mann sei es auch darum gegangen, in die
Medien zu kommen. In gewisser Weise könnte das stimmen. Karl R. nämlich führt ein
ungewöhnliches Doppelleben. Im Alltag ist der 43-Jährige ein gewöhnlicher Werktätiger, der
sich zum Beispiel als Chemielaborant verdingte. Daneben tritt er, unter einem Pseudonym,
als Illusions- und Entfesselungskünstler auf - etwa bei einer Geburtstagsparty von Paris
Hilton. Als solcher war er Ende 2007 ins "Nachtcafe" von Wieland Backes eingeladen. Dort
traf er auf einen Gast, den er seit langem bewundert: den Enthüllungsjournalisten Günter
Wallraff. Man machte sich bekannt und kam ins Gespräch.
Wallraff als Vorbild
Bei einem von Wallraffs Rechercheprojekten, erfuhr Karl R., ging es um Sicherheitsmängel
in Kernkraftwerken. Das Thema elektrisierte ihn. Der Atommeiler vor den Toren Heilbronns
war ihm seit langem suspekt, und im Bekanntenkreis hörte er merkwürdige Geschichten von
dort. Also heuerte er im Frühjahr 2008 für einige Monate bei einer internationalen
Servicefirma an, die in Neckarwestheim diverse Arbeiten erledigt. Die
Zuverlässigkeitsprüfung für Personal, das auf das Reaktorgelände darf, bestand er trotz
eines nicht ganz makellosen Vorlebens.
Doch den Job als Fahrer und Reinigungskraft betrachtete R. vor allem als Tarnung zum
Recherchieren - ganz im Sinne seines "großen Vorbilds" Wallraff, mit dem er jetzt
kooperierte. Mit versteckter Kamera und Mikrofon dokumentierte der Undercover-Reporter,
wie lax die Kontrollen im Kernkraftwerk seien. Das Material lieferte er bei Wallraff und einem
Kölner Filmproduzenten ab, die es gemeinsam verwerten wollten. Erst als sich die
Zusammenarbeit zerschlug, ging er zur EnBW.
Was R. den, wie er sagt, "fassungslosen" Zuhörern dort berichtete, erfuhr die Öffentlichkeit
nur in knappen Sätzen. Der Mann wolle unerlaubt Gegenstände auf das Reaktorgelände
gebracht haben, darunter Waffenattrappen und Alkohol, teilte Gönners Ministerium mit. Noch
fehlten dafür Belege, doch die Ausführungen über "mögliche Verstecke unter den
Fahrersitzen eines Lieferwagens" seien nachvollziehbar gewesen. Allerdings gehe es nur um
den äußeren Sicherheitsbereich, wird stets betont.
Beim Objektschutz soll es fidel zugehen
Im Detail klingt es noch abenteuerlicher, was R. auch im Gespräch mit der Stuttgarter
Zeitung schilderte. Nur anfangs habe er die Waffen, zwei nicht funktionsunfähige Revolver,
unter dem Sitz versteckt. Nach und nach habe er "immer mehr probiert". Mal hätten sie im
offenen Handschuhfach gelegen, nur hinter Papieren versteckt, mal sogar in einen Lappen
eingewickelt auf dem Armaturenbrett. Nie habe es bei der Einfahrt Probleme gegeben. Auch
Messer und Armeedolche will R. auf diese Weise aufs Reaktorareal gebracht haben.
Mitarbeiter hätten sie ihm in der Maschinenhalle sogar geschliffen, ohne irgendjemanden zu
alarmieren. Solche Freundschaftsdienste seien in der Belegschaft üblich. Zeitweise habe er
über fünf verschlossene Spinde verfügt, in denen man Revolver und Dolche hätte deponieren
können.
Auch Alkohol, berichtet R., lasse sich leicht auf das Reaktorgelände bringen. Dort gilt zwar
ein striktes Alkoholverbot, doch unter den Mitarbeitern des Wachdienstes gebe es erhebliche
Alkoholprobleme. Lager für Bier, Wein und Rum im toten Winkel der Videoüberwachung, von
denen er wissen will, konnte die Atomaufsicht bei Vor-Ort-Terminen jedoch nicht finden.
Beim Objektschutz, behauptet der Rechercheur, gehe es überhaupt recht fidel zu. So diene
die Hochleistungskamera auf dem Kühlturm, mit der man Fernes ganz nah heranzoomen
kann, als "Belustigungsprogramm" - etwa beim Blick in benachbarte Schlafzimmer.
Behauptungen könnten mit Filmmaterial untermauert werden
Gönners Atomaufseher betrachteten den Mann keineswegs als Fantasten. Nach
anfänglichen Schwierigkeiten, in Kontakt zu kommen, mache er einen "offenen und
kooperativen Eindruck", sagt ein Sprecher. Seine Darstellungen würden "ernst genommen"
und erschienen "zumindest zum Teil plausibel". Nur eines mochte man ihm nicht abnehmen:
dass er auch Personen auf das Gelände hätte schmuggeln können, versteckt in Säcken für
Post oder geschreddertes Papier. Da hatte auch Günter Wallraff seine Zweifel. Ursprünglich
sei geplant gewesen, ihn in den Atommeiler einzuschleusen, bestätigte er der StZ. Aber Karl
R. sei ihm für dieses Vorhaben dann doch nicht als geeignet erschienen.
Er habe den Kontakt schon länger "auf Eis gelegt" und nach den Erpressungsvorwürfen
eingestellt, sagt Wallraff. R. wiederum wirft seinem Duzfreund Günter und dessen
Filmproduzenten vor, sie hätten ihn erst benutzt und dann fallengelassen. Besonders erbost
ist er darüber, dass die Filmfirma das übergebene Material - zwanzig Stunden Bild und Ton -
nicht mehr herausgibt. Was EnBW und Atomaufsicht als "Behauptungen" bezeichnen, könne
er damit beweisen.
Wanderwege quer über das Reaktorgelände
Zunächst bemühte sich auch das Umweltministerium erfolglos, an die Videos
heranzukommen. Inzwischen aber zeigt sich der Geschäftsführer der Cologne-Film, Gerhard
Schmidt, kooperativ. In einem Schreiben an die EnBW, mit Kopie an Atomaufsicht und
Staatsanwaltschaft, offeriert er Einsicht in die Dokumente. Man sei bereit, so Schmidt, "Ihnen
das von Herr R. aufgenommene Videomaterial in unseren Räumen Köln, Sachsenring 2-4,
vorzuführen". Ein Besichtigungstermin könne ab 4. August vereinbart werden.
Schon jetzt verdankt Atomaufseherin Tanja Gönner dem "Filmautor" einen weiteren
Erkenntnisgewinn. Ob sie etwas von einem Wanderweg quer über das Reaktorgelände in
Neckarwestheim wisse? Nein, musste die erstaunte Ministerin einräumen. Eine Nachfrage in
ihrem Ressort ergab: die Route existiert tatsächlich, aufgrund uralter Wegerechte. Wanderer
würden vom Wachschutz empfangen und durchs Gelände eskortiert. Alle Versuche der
EnBW, eine Verlegung zu erreichen, seien bisher gescheitert. Vielleicht klappt es ja nun, da
Karl R. das Kuriosum öffentlich gemacht hat.
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2149049_0_4035_-sicherheitsmaengel-in-
neckarwestheim-revolver-im-atomkraftwerk.html
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Infostand des Aktionbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
in der Fußgängerzone Ludwigsburg
"Atomausstieg - wo bist du?", "Kinderkrebs um AKWs", "Mal richtig abschalten - Demo 5.
September in Berlin", "Glaubst du das wirklich?" oder "Atomausstieg selber machen durch
Anbieterwechsel" sind exemplarisch Titel von Broschüren und Info-Flyern, mit den das
Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim in der Fußgängerzone Ludwigsburg
mit einem Infostand und der Möglichkeit zum Gespräch/Diskussion die Bevölkerung über die
Notwendigkeit und Möglichkeit des sofortigen Atomausstiegs informieren wird.
Hierzu laden wir recht herzlich ein!
Freitag, 31. Juli 2007
16 - 19.00 Uhr
Fußgängerzone Ludwigsburg, Stadtkirchenplatz
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> Lobbyisten contra Umweltgruppen
> Atomkampf im Internet
Es ist eine Frage des Glaubens. Glaubt man der Atomindustrie, dann sind Kernkraftwerke
Klimaschützer. Glaubt man den Umweltaktivisten, dann gehören sie abgeschaltet. Abseits
der hitzigen politischen Debatte nach dem Störfall im Atommeiler Krümmel gilt es, auch die
Öffentlichkeit für seine Sichtweise zu gewinnen - im Fokus steht dabei auch die freie Online-
Enzyklopädie Wikipedia. Laut der Organisation LobbyControl sind PR-Agenturen und
Tarnorganisationen damit beschäftigt, Einträge zum Beispiel bei Wikipedia zu ändern. Aber
nicht nur hier werden die jeweiligen Sichtweisen plaziert. Besonders aktiv sei in diesen Tagen
das Pro-Atom-Netzwerk "Bürger für Technik" - einige Mitglieder fielen vor allem mit
Leserbrief-Offensiven zum Thema Kernkraft auf.
"Wikipedia-Manipulation gehört heute zu den wichtigsten Aufgaben großer PR-Agenturen",
sagt auch Axel Mayer, Geschäftsführer der BUND-Regionalstelle in Freiburg. Es ist einfach,
den Korrigierer von Einträgen ausfindig zu machen. Die IP-Adresse des Computers, die bei
einer geänderten Version angegeben ist, wird bei www.coolwhois.com eingegeben und dort
wird der Standort des Computers ausgespuckt. Unter der IP-Adresse 213.183.13.20 fügte
etwa am 3. März 2006 jemand von einem Münchener CSU-Rechner ein Kapitel "Misserfolge
und Kritik" in den Eintrag zum früheren Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD) ein. Häufig
werden solche Manipulationen aber rasch von engagierten Wikipedia-Nutzern wieder
rückgängig gemacht - zumindest, wenn sie gegen das unparteiische Selbstverständnis der
Enzyklopädie verstoßen.
Keine Angaben zu Krebserkrankungen
Beim Thema Atom tauchte in der Vergangenheit beim Eintrag zum AKW Biblis wiederholt die
IP-Adresse 153.100.131.14 auf: Der Computer steht laut "coolwhois.com" bei Biblis-Betreiber
RWE - geändert wurden etwa Angaben zu Störfällen. Auf den Seiten von deutschen
Atommeilern seien nur selten Infos über Radioaktivitäts-Abgaben im Normalbetrieb oder zu
Krebserkrankungen, kritisiert Mayer. Allein beim Eintrag zum Pannenreaktor Krümmel gab
es seit der Reaktorabschaltung am 4. Juli mehr als 120 Änderungen - die meisten waren
aber nicht tendenziös.
"Der professionelle Einsatz zum Ändern kritischer Einträge und zur Beeinflussung der
öffentlichen Meinung geschieht häufiger als man denkt", meint LobbyControl-Vorstand Ulrich
Müller. Oft träten nicht Konzerne selbst, sondern Agenturen oder scheinbar interessierte
Privatpersonen als Korrektoren auf den Plan. Müller verweist auf Fachgruppen der
Kerntechnischen Gesellschaft. Dort heißt es in einem Protokoll: "Zahlreiche Mitglieder der
Fachgruppe engagieren sich auch als Autoren bzw. Korrektoren bei ww.wikipedia.de".
Besonders das damit verbundene Netzwerk "Bürger für Technik" versuche über Leserbriefe
in Zeitungen und durch das Ändern von Internet-Einträgen eine atomfreundliche Haltung zu
befördern, sagt Müller.
Atomforum weist Vorwürfe zurück
Das Deutsche Atomforum weist jegliche Verbindung zu PR-Agenturen zurück. "Wir haben
niemanden damit beauftragt, entsprechende Einträge zu ändern", sagt Geschäftsführer
Dieter Marx. Er verweist darauf, dass zu einseitige Wikipedia-Einträge ruckzuck wieder
korrigiert würden. "Das sind alles Einzelpersonen, die da mitdiskutieren." Die Bürger für
Technik seien aktiv, ohne dass man da irgendetwas steuere. In der Kerntechnischen
Gesellschaft seien 2500 Mitglieder, auf die man nicht alle Einfluss nehmen könnte. "Wir
sehen das auch zum Teil kritisch, weil sie manchmal über das Ziel hinausschießen."
BUND-Aktivist Mayer kämpft seit Jahren gegen die Veränderung von Seiten zur Kernenergie
bei Wikipedia und das Löschen kritischer Verweise. "Einige Wikipedia-Seiten sind zwar
ausgewogener geworden, Links zu den Seiten von Atomkraftgegnern werden nicht mehr
sofort gelöscht", sagt er. "Wir haben aber das generelle Problem der Waffenungleichheit",
klagt er. "Unsere Anmerkungen und Links wurden in der Vergangenheit zum Teil nach 15
Minuten gelöscht."
Unausgewogene Informationen
Für unausgewogen hält Mayer unter anderem die Seiten der bayerischen Kernkraftwerke
Isar in der Nähe von Landshut und Gundremmingen. Vergangenes Jahr war Mayer aber
auch selbst ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil der BUND Freiburg als Gegenwehr so
penetrant kritische Links bei Wikipedia-Einträgen zur Atomkraft setzte, dass diese Links auf
einer Spamliste landeten.
Quelle: Georg Ismar, dpa
( http://www.n-tv.de/politik/dossier/Atomkampf-im-Internet-article417867.html )
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Junge Welt, 20.07.09
> Strahlender Giftmüll
> Karlsruher AKW-Abfälle sollen verglast werden. Doch die Entsorgung verzögert sich und
kostet Milliarden
Von Reimar Paul
In Karlsruhe lagert eine der gefährlichsten Hinterlassenschaften der deutschen
Atomforschung. 500 Kilogramm hoch angereichertes Uran, fast 17 Kilogramm Plutonium,
aufgelöst in etwa 60000 Litern Salpetersäure. Das Gebräu strahlt extrem. Von einer Trillion
Bequerel ist die Rede. Demnächst soll es in Glas eingeschmolzen und abtransportiert
werden.
Die Atomsuppe – im Fachjargon als »Highly Active Waste Concentrate« (HAWC) bezeichnet
– stammt aus dem Betrieb einer Versuchsanlage zur Wiederaufarbeitung abgebrannter
Brennelemente (WAK) aus Atomkraftwerken. Die WAK ging 1971 in Betrieb und wurde 20
Jahre später stillgelegt. Weil sich eine industrielle Wiederaufarbeitungsanlage weder in
Gorleben noch im bayrischen Wackersdorf politisch durchsetzen ließ, machte auch die WAK
als Erprobungsbetrieb keinen Sinn mehr. Der Bund, das Land Baden-Württemberg und die
Atomwirtschaft vereinbarten deshalb die Stillegung.
Ihre giftige Hinterlassenschaft, die ständig gerührt und gekühlt werden muß, lagert seitdem in
stark gesicherten Edelstahltanks auf dem Areal des Forschungszentrums – nur wenige
Kilometer von der Karlsruher Innenstadt entfernt. Ursprünglich sollte der flüssige Atommüll
zur Verglasung in ein Atomzentrum im belgischen Mol gebracht werden. Weil
Bürgerinitiativen Proteste gegen den Transport angekündigt hatten, entschied man sich dann
aber für die Verglasung vor Ort. Die strahlende Fracht wird dadurch zwar kaum weniger
gefährlich, in festem Zustand läßt sich die Glasschmelze aber sicherer transportieren, erklärt
WAK-Sprecher Peter Schira.
Die Glaskokillen werden voraussichtlich Ende 2010 quer durch Deutschland ins
Zwischenlager Nord bei Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern gekarrt. Das Bundesamt für
Strahlenschutz hatte die Fuhre bereits im Februar genehmigt. In der 200 Meter langen
Lagerhalle strahlen bereits die radioaktiven Innereien der stillgelegten Atomkraftwerke
Greifswald, Rheinsberg und Obrigheim vor sich hin. Bis zu 40 Jahre darf dieser Abfall im
Zwischenlager Nord bleiben. Dann muß er in ein Endlager. Nach dem Stand der Dinge wird
das wahrscheinlich in Gorleben gebaut.
Die WAK selbst soll nach den derzeitigen Planungen bis 2020 abgerissen werden, das
Gelände drei Jahre später wieder eine grüne Wiese sein. Doch der Zeitplan ist schon öfter
aus den Fugen geraten. Auch der ursprüngliche Kostenplan ist längst Makulatur: Statt etwa
einer Milliarde Euro dürfte das Projekt am Ende rund drei Milliarden Euro kosten. Mehr als
die Hälfte davon müssen die Steuerzahler aufbringen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete
Sylvia Kotting-Uhl warnt davor, angesichts explodierender Kosten bei der Sicherheit zu
sparen. Sie kritisiert insbesondere, daß der verglaste Atommüll vor der Fahrt ins
Zwischenlager bis zu eineinhalb Jahre lang in Castoren mit nur einem einzigen Deckel in
einer Art Garage aufbewahrt werden soll.
Nun wurde bekannt, daß sich die Verglasung der Karlsruher Atomsuppe erneut um mehrere
Wochen verzögert. Der zunächst für den 2. Juli geplante Beginn des Prozesses habe
verschoben werden müssen, teilte das Forschungszentrum mit. Das baden-württembergische Umweltministerium läßt derzeit noch einmal durch Gutachter den
Betriebsbereich prüfen, in dem die hochradioaktive Brühe verglast wird. »Nach über zehn
Jahren kommt es auf ein paar Wochen auch nicht mehr an«, sagte ein
Ministeriumssprecher. Das Umweltministerium geht davon aus, daß die Verglasung nun
Ende Juli starten kann.
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