Stuttgarter Zeitung, 19.10.09

> Mit Stromspartipps zu einem besseren Image
> EnBW. Großangelegte Werbekampagne des Energiekonzerns erntet geteiltes Echo. Auf Kritik stößt ein Energiesparwettbewerb mit dem Kultusministerium und der Anspruch, trotz des hohen Atomstromanteils "Musterland" sein zu wollen.

Von Andreas Müller

Es gibt kein Entrinnen vor der EnBW. Auf Schritt und Tritt begegnen die Baden-
Württemberger dieser Tage der neuen Kampagne des Karlsruher Energiekonzerns.
Megaposter, Plakate, Funkspots, Zeitungsanzeigen, Broschüren - fast alle Kanäle werden
genutzt, um die Botschaft unters Volk zu bringen: "Weniger Verbrauch geht auch."
Vordergründig geht es der EnBW darum, für eine effiziente Nutzung von Energie zu werben.
Dafür engagiert sich das Unternehmen im Zuge eines Wandels "vom Versorger zum Berater
und Dienstleister" seit Jahren - mit cleveren Projekten wie dem intelligenten Stromzähler
oder unternehmensübergreifenden Netzwerken. Schon heute sei der Südwesten vorbildlich,
verlautet es stolz aus Karlsruhe. Sein Anteil an der bundesweiten Wirtschaftsleistung liege
bei 15 Prozent, der am Verbrauch dagegen nur bei zehn Prozent.

Mit der von der Hamburger Agentur Kolle Rebbe verantworteten Kampagne - sie betreute
übrigens auch die Bundes-CDU im Wahlkampf - sollen die Bürger nun noch mehr zum
Sparen angespornt werden. Dazu engagierte die EnBW keine Schauspieler oder
Fußballstars, sondern ganz normale Bürger. "Echte Kunden" wie die Familie Gutwein aus
Bodelshausen oder der Fensterbauer Schuhmacher aus Mulfingen geben Tipps, wie sie
persönlich ihren Verbrauch optimieren. "Authentische, anfassbare Kommunikation" nennt
das der Agenturmann Stefan Kolle. Was der Versorger davon hat, wenn er am Ende weniger
Strom verkauft? "Zufriedene Kunden", sagt die EnBW.

Doch bei der Kampagne geht es natürlich auch um das Image des Konzerns, das - wie bei
allen Großen der Branche - gewiss verbesserungsfähig ist. Er positioniere sich "als
verantwortungsbewusstes Unternehmen, das Energie als kostbares Gut begreift und mit
innovativen Ideen für Energieeffizienz die Energiefragen der Zukunft beantwortet", heißt es
beim Gesamtverband der Werbeagenturen. Das Verbrauchsthema sei dabei die
"kommunikative Leitidee", also ein Mittel zum Zweck. Die EnBW selbst sieht einen
Ansehensgewinn nach eigenen Angaben eher als Nebeneffekt, über den "wir uns natürlich
freuen". Wie das eigene Image eingeschätzt wird, etwa anhand von Marktstudien, dazu gibt
es aus Karlsruhe leider keine Auskunft.

Der Anspruch der Kampagne, Baden-Württemberg zum "Energiemusterland" zu machen,
provoziert indes auch Widerspruch. Angesichts eines Atomstromanteils von mehr als fünfzig
Prozent sei das "schon einigermaßen vermessen", urteilt der Grünen-Abgeordnete Franz
Untersteller. Da wolle sich der Kernkraftkonzern, der gerade um längere Laufzeiten kämpft,
"ein Ökoimage verpassen", sekundiert Berthold Frieß vom Bund für Umwelt- und
Naturschutz; das sei "Greenwashing" par exellence". Mit der aktuellen Diskussion über die
Zukunft der Atommeiler habe die "Öffentlichkeitsoffensive" nichts zu tun, erwidert hingegen
die EnBW.

Stromsparen sei schließlich Über das völlig unabhängig von der Art Ansehen der Erzeugung
sinnvoll.

Am meisten Kritik erntet ein Projekt, das die EnBW im Rahmen der Kampagne zusammen
mit dem Kultusministerium und dessen Stiftung Kulturelle Jugendarbeit plant: ein
Schulwettbewerb für die Klassen 7 bis 10, bei dem die Kinder im schulischen Umfeld nach
Energiesparmöglichkeiten fahnden sollen. Zum einen ärgern sich andere Versorger darüber,
dass die Landesregierung schon wieder exklusiv mit den Karlsruhern kooperiert - wie etwa
beim Ehrenamtswettbewerb "Echt Gut". Mehrfach haben sie sich darüber schon in Stuttgart
beschwert, sogar auf höchster Ebene. Doch die Kleineren der Branche wurden meist mit
dem Hinweis abgewimmelt, sie könnten landesweite Großprojekte doch gar nicht bewältigen.
Gerade bei einem Schülerwettbewerb hätten sich indes dezentrale Partner angeboten. Aber
das Ministerium ist auf niemanden sonst zugegangen. Es gebe keine Pflicht zur
Ausschreibung, sagt eine Sprecherin von Helmut Rau (CDU). Für andere interessierte
Unternehmen stehe das Projekt jedoch prinzipiell offen.

Missfallen erregt zum anderen, dass der EnBW zumindest indirekt Zugang zu den Schülern -
und damit zu den Kunden von morgen - gewährt wird. "Sehr befremdlich", findet das der
Grüne Untersteller, "skandalös" der BUND -Mann Frieß. "Atomlobbyisten" hätten in den
Schulen "nichts zu suchen", auch wenn sie mit dem eigentlich löblichen Thema
Energiesparen kämen. Das Kultusministerium solle lieber dafür sorgen, dass die bereits
bestehenden Schulprojekte zum Energiesparen besser vernetzt und koordiniert würden.
Tatsächlich gibt es schon reihenweise ähnliche Initiativen: von den Energieagenturen der
Landkreise, von den Naturschutzverbänden, von einer privaten Stiftung - und sogar von der
Landesregierung. Das Wirtschaftsministerium von Ernst Pfister (FDP) schickt neuerdings
den Energiespardetektiv "Ede" in die Schulen, um gemeinsam mit den Viertklässlern Jagd
auf "Energiediebe" zu machen. Die Aktion zum spielerischen Lernen startete just im Oktober,
fast zeitgleich zur Ankündigung des EnBW-Wettbewerbs. Sonderlich abgestimmt wirkt das
nicht.

Im Ressort Raus herrscht freilich auch hier wenig Problembewusstsein. Mit Werbung habe
das Ganze nichts zu tun, versichert die Sprecherin, die Logos der Partner - also auch der
EnBW - prangten nur auf dem Flugblatt zum Schülerwettbewerb. Man greife also keineswegs
in den wirtschaftlichen Wettbewerb ein. Im Übrigen solle das Projekt die Kinder zum
Energiesparen erziehen "und nicht zum Konsum".

Zum Volumen des Sponsorenvertrags macht das Ministerium keine Angaben, so wie auch
die EnBW ("schon aus Wettbewerbsgründen") nichts zur Höhe des Gesamtetats der
mutmaßlich millionenschweren Kampagne verrät. Nur so viel: man bewege sich in einem
"vergleichsweise niedrigen Rahmen".



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