Mainpost, 20.09.09

> Auf den Atomstrom gepfiffen
> Kundgebung und Demo von Umweltverbänden fordert sofortigen Atomausstieg

Für erneuerbare Energien wurde am sonnenverwöhnten Samstag die Werbetrommel gerührt. Aber auch kräftig auf die Trommeln gehaut haben die rund 200 Atomstrom-Gegner in der Innenstadt. Angeführt vom rhythmischen Donner der Sambatruppe Areia zogen acht Umweltverbände aus Schweinfurt-Stadt und -Land sowie Parteien und Gastgruppen aus ganz Bayern nach einer Anti-Atomstrom-Kundgebung am Georg-Wichtermann-Platz zum Rathaus.
            
Foto: Gabi Kriese
Für den Atomausstieg ohne Wenn und Aber haben am Samstag mehrere Umweltorganisationen in Schweinfurt demonstriert.Bild vergrößern


Mit Trillerpfeifen und Megafon-Parolen, Infoständen, Handzetteln für Passanten, Plakaten, Fahnen und Transparenten prangerten sie die Risiken der Atomenergieproduktion an, die Gesundheitsgefahren (Kinderkrebsstudie), die Atommüllendlagerung sowie die fragwürdige politische Verzögerung des Atomausstiegs.

Jene Parteien, deren Energiepolitik nicht in die gewünschte Richtung rudert, bekamen bei dem gezielt und verlockend im Vorfeld der Bundestagswahl gewählten Demonstrationstermin natürlich auch ihr Fett weg: „Nächste Woche entscheiden Sie über Ihr atomares Restrisiko. Keine Stimme den Atom-Parteien!“, forderte der Anti-Atomkraft-Zug lautstark von den Zuhörern und Passanten.

Namhafte Redner legten den Finger in eine vielschichtige, klaffende Wunde, die aus der Sicht der Anti-Atomkraft-Bewegung nur durch dauerhaften und überzeugenden Gegendruck seitens der Öffentlichkeit geheilt werden könne: „Widerstand ist wichtig“, so BA-BI- Vorsitzender Hubert Lutz. Deshalb gelte es, die Thematik stichhaltig und überzeugend in den Köpfen der Menschen präsent zu halten – gerade vor einer Wahl, unterstrich auch BA-BI- Vorstandskollegin Babs Günther die Intention der jährlich wiederholten Kundgebung: „Die Strahlenbedrohung ist enorm, und sie bleibt. Dabei gibt es Alternativen.“ Alternativen in diversen erneuerbaren Energien, die nachweislich mehr Arbeitsplätze geschaffen hätten, und weiterhin sichern würden, als die 17 deutschen Atomkraftwerke.

Wie die Demonstranten einhellig forderten, könnten alle diese Meiler sofort abgeschaltet werden, ohne dass im Land auch nur eine einzige Glühbirne flackert, versicherte Erich Waldherr, Energiefragen-Referent des Schweinfurter Bund Naturschutz, beim Pressegespräch vor der Kundgebung.
„Politiklüge“

Doch der politische Gegendruck und die Atomlobby verzögerten und verhinderten den Atomausstieg leider immer noch erfolgreich, schimpfte Herbert Würth, Pressesprecher des Aktionsbündnisses Castor-Widerstand Neckarwestheim. Viel zustimmenden Applaus erntete er für sein deutlich dargelegtes Paradoxon „Atomausstieg, wo bist du?“ Dass dieser vermeintlich automatisch kommt, sei eine Politik-Lüge und eine Mogelpackung: Kein einziges relevantes Kernkraftwerk sei wie geplant abgeschaltet worden, stattdessen gebe es Laufzeitverlängerungen und Klüngeleien mit Reststrommengen, schimpfte Würth und skandierte: „Atomausstieg hier und jetzt – und nicht erst in 20 Jahren!“

Die Energiewende in Richtung dezentrale Energieversorgung forderte auch DGB- Regionsvorsitzender Frank Firsching – mehr schon fast aus ökonomischen als aus ökologischen Gründen: „Her mit regenerativen Energien, um Arbeitsplätze zu schaffen für die Leute in diesem Land“, sparte auch er nicht mit politischen Seitenhieben. Es sei ein verheerendes Signal und eine wirtschaftspolitische Verstandslosigkeit, im hiesigen Regionalplan Windkraftanlagen zu verhindern, wo doch tausende Arbeitsplätze der Schweinfurter Wälzlagerindustrie durch den Bau von Windrädern gesichert würden.
Grenzwerte kritisiert

Ein politisches Kunstkonstrukt nannte schließlich Reinhold Thiel von der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), einer internationalen Ärztevereinigung zur Verhinderung des Atomkriegs, die deutschen Strahlenschutz- Grenzwerte. Sie orientierten sich an einem kerngesunden, kraftstrotzenden, jungen Mann und erfassten in keinster Weise die realistische Bandbreite menschlicher Organismen: „Der deutsche Strahlenschutz schützt die Atomindustrie und nicht uns Menschen.“ Kranke, Alte und Kleinkinder zum Beispiel reagierten nämlich deutlich sensibler, sprich anfälliger, auf Strahlung. Eine von der Atomlobby-Propaganda massiv bekämpfte Studie über Krebs bei Kindern belege dies unumstößlich, so Allgemeinmediziner Thiel. Die IPPNW will deshalb den Referenz-Embryo statt des Referenz-Mannes als Bezugsgröße für den Strahlenschutz durchsetzen.

Nicht der Atomkrieg, Super-Gau oder Störfall sei heutzutage die akuteste Gesundheitsgefahr für den Menschen in Sachen Atomstrahlung, sondern die beständige Niedrigstrahlung. Alles in allem sei der „Seiltanz zwischen den Kühltürmen“ ein todsicheres Unterfangen, lautete auch die Aussage von Babs Günthers entsprechend akrobatischer, pantomimischer Showeinlage.

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Aktionsbuendnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
Info-tel 07141 / 903363
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