Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet!
Alle gespeicherten Daten werden gelöscht!
Am 22.11.2022 fand eine Verhandlung zum Thema Datenauskunft beim Verwaltungsgericht Stuttgart statt. Ein Atomkraftgegner klagte gegen das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Landesamt für Verfassungsschutz.
Die mit dem Rechtsanwalt Dr. Kauß (Freiburg) geführte Klage des Atomkraftgegners auf Datenauskunft wurde vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart verhandelt. Das wichtigste Ergebnis war die Zusage des Landesamtes für Verfassungsschutz, dass keine weitere Beobachtung der Person und des Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim durch den Verfassungsschutz mehr stattfindet. Außerdem hat der Verfassungsschutz die Löschung aller über den Atomkraftgegner gespeicherten Daten zugesagt. Damit hat der Verfassungsschutz seine bisherige Auffassung aufgegeben, dass es sich beim Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim, dessen Pressesprecher geklagt hatte, um eine "linksextremistisch beeinflusste" und damit zu beobachtende Organisation handele.
Der Anwalt des Atomkraftgegners, Rechtsanwalt Dr. Kauß (Freiburg) hatte mit der 2017 eingereichten Klage die Vorlage der 138 Seiten dicken Akte des Verfassungsschutzes mit über den Kläger gespeicherten Daten an das Verwaltungsgericht erreicht. Der Großteil der Akte war geschwärzt. In einer 38-seitigen Sperrerklärung hatte das Innenministerium Stuttgart - als vorgesetzte Stelle des Verfassungsschutzes - umfängliche Geheimhaltungsgründe angeführt wie den Schutz von "Quellen", also Spitzeln, der Geheimhaltung der Aktenorganisation, an welche anderen Geheimdienste die Daten schon mal weiter gegeben worden sind, und von Bewertungen des Verfassungsschutzes etc..
In den dennoch erstrittenen Auskünften war sogar der gewaltfreie Widerstand der Anti-AKW-Bewegung vom Verfassungsschutz als diffamierend und verfassungsfeindlich bewertet worden und war damit Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz geworden. Dort hieß es noch:
"Das ABC Neckarwestheim distanziert sich von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und stellt diese in Frage, indem es die Verfassungswirklichkeit diffamierend beschreibt...Auch aus einer mangelnden Distanzierung von Gewalt ...ergeben sich linksextremistische Bezüge."
Für seine Auffassung hatte sich das Landesamt für Verfassungsschutz auf drei dem Kläger mitgeteilte völlig legale und gewaltfreie „Ereignisse“ berufen:
Die Teilnahme an einer Demonstration in Neckarwestheim am 4.7.2009, seine Nennung als Pressesprecher des ABC Neckarwestheim in einer Publikation von anti-atom-aktuell Nr. 203 vom Oktober 2009 und seine Teilnahme an einer Demonstration in Neckarwestheim am 21.03.2010, über die in einem Artikel der Stuttgarter Zeitung 2010 berichtet worden war. Dort hatte er sich für den gewaltfreien Widerstand und klar gegen Gewalt gegen Personen ausgesprochen hatte. Diese "mangelnde Distanzierung von Gewalt" wurde umgemünzt in den Vorwurf, er sei für Gewalt.
Von dieser hanebüchenen Einschätzung des zivilen Widerstandes der Anti-AKW-Bewegung hat der Verfassungsschutz nun endlich Abstand genommen.
Das Fazit dieses Gerichtsverfahren: Erreicht werden konnte mit der Klage die Einstellung der Beobachtung des Klägers durch den Geheimdienst und die Löschung der über ihn gespeicherte Daten. Damit war erreicht worden, dass der Verfassungsschutz des Landes den gewaltfreien Anti-AKW-Widerstand nicht mehr als verfassungsfeindlich einstuft und damit nicht mehr zum Beobachtungsobjekt macht. Nicht erreicht werden konnte die Kenntnisgabe aller über den AKW-Gegner gespeicherten Daten. Damit erweist sich der Verfassungsschutz mit seinem jeder gerichtlichen Kontrolle entzogenen Geheimbereich erneut als Fremdkörper in einem demokratischen Rechtsstaat.
Rechtsanwalt Dr. Kauß, Landesvorsitzender der den Prozess unterstützenden Bürgerrechtsorganisation HUMANISTISCHEN UNION erklärte dazu:
"Die umfängliche Geheimhaltung der vom Verfassungsschutz über die Anti-AKW-Bewegung gespeicherten Daten lässt sich nur mit der Angst der Behörde erklären, ihre gespeicherten Daten auf den Prüfstand öffentlicher und gerichtlicher Kontrolle stellen zu müssen. Da ist der Verfassungsschutz schon gerne mal bereit, die Löschung der über einen Kläger gesammelten Daten zuzugestehen und einen Kläger nicht weiter zu beobachten, nur um sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Es kann daher nur empfohlen werden, sich nicht mit abweisenden Auskunftsbescheiden der Ämter für Verfassungsschutz zufrieden zu geben, sondern den Weg zu den Gerichten zu suchen."